Podcast Lanz und Precht: Afrika - Der vergessene Kontinent“

Stellungnahme der Geschäftsführung des Schokoladenmuseums Köln zum Podcast mit Lanz und Precht 
Folge 195: Afrika - der vergessene Kontinent

Markus Lanz eröffnete das Thema mit einer Beschreibung des Schokoladenmuseums als Ort voller „verführerischem Duft nach Kakao und Kindheit“, der Schulklassen und Familien anziehe. Doch gleich darauf stellte er die Frage: Woher kommt der Rohstoff Kakao? Und: Wird die brutale Geschichte hinter der süßen Ware dort überhaupt thematisiert?

Richard David Precht griff diese Kritik auf und äußerte sinngemäß: Im Museum werde „nicht groß dokumentiert“, welche koloniale und menschenverachtende Vergangenheit mit Kakao verbunden sei. Es gebe dort keinen „großen Ausstellungsraum“ zu Kolonialverbrechen. Die historischen Verstrickungen deutscher Firmen – namentlich Stollwerck, das 1897 eine Beteiligung an Plantagen in Kamerun einging – würden nicht ausreichend aufgearbeitet. Auch die heutigen Bedingungen auf Plantagen in Ghana und der Elfenbeinküste – etwa Kinderarbeit, fehlender Arbeitsschutz, extreme Armut – seien Teil eines fortdauernden Unrechts, das nicht thematisiert werde. Trotz politischer Versprechen habe sich bis heute wenig an der strukturellen Ausbeutung geändert – ein Vorwurf, der auch implizit an Institutionen wie Museen gerichtet war, die vermeintlich zu wenig aufklären.

Eine Transkription der entsprechenden Passage und einen Link zum Podcast gibt es hier:  Zur Transkription

Zunächst möchten wir betonen, dass wir viele der inhaltlichen Aussagen zur kolonialen Vergangenheit, zur strukturellen Ungleichheit im globalen Süden und zur Verantwortung europäischer Staaten ausdrücklich teilen. Auch wir sehen die deutsche Kolonialgeschichte als ein zu lange verdrängtes Kapitel, ebenso wie die Notwendigkeit, die Realität des heutigen Kakaohandels kritisch zu beleuchten.

Gerade deshalb haben wir es als enttäuschend empfunden, in diesem Podcast als Negativbeispiel genannt zu werden. Insbesondere, da sich unsere Ausstellung, unsere Bildungsarbeit und unsere Sonderformate seit vielen Jahren genau diesen Themen widmen.

In einer ausführlichen Stellungnahme an die Redaktion des Podcasts haben wir auf folgende Punkte hingewiesen:

1. Aufarbeitung der Kolonialgeschichte in der Ausstellung

In unserer kulturgeschichtlichen Ausstellungsebene wird die Verknüpfung von Kakao mit kolonialer Ausbeutung ausdrücklich und detailliert behandelt.
Zitat aus der Ausstellung:
„Kolonialschokolade: 1897: Stollwerck beteiligt sich in Kamerun, damals eine deutsche Kolonie, an der Westafrikanischen Pflanzungs-Gesellschaft Viktoria. Auf zwangsenteignetem Land müssen Menschen Kakao anbauen. Mehr als die Hälfte stirbt in den ersten sechs Monaten. Der Ertrag bleibt gering, aber Kolonialschokolade ist ein wichtiges Prestigeobjekt.“

An mehreren Stellen werden die wirtschaftlichen Interessen europäischer Kolonialmächte und die damit verbundene Gewalt klar benannt, von der Unterwerfung Amerikas über den transatlantischen Sklavenhandel bis zur kolonialen Expansion des 19. Jahrhunderts.

2. Darstellung aktueller Probleme im globalen Kakaohandel

Im Ausstellungsbereich „Weltreise des Kakaos“ beleuchten wir die aktuellen Produktionsbedingungen in den Hauptanbauregionen – insbesondere Westafrika, das für ca. 70 % der globalen Kakaoproduktion verantwortlich ist.
Wir thematisieren dabei:

  • die wirtschaftliche Abhängigkeit der Kleinbäuerinnen und -bauern,
  • ausbeuterische Kinderarbeit,
  • strukturelle Armut und fehlende soziale Sicherung,
  • Umweltprobleme durch Monokultur und Pestizideinsatz.

Darüber hinaus zeigen wir positive Beispiele: Initiativen afrikanischer Schokoladenproduzenten, die Wertschöpfung im Ursprungsland halten, nachhaltige Kooperativen und alternative Anbaumethoden wie Agroforstsysteme.

3. Stimmen aus dem globalen Süden

Uns ist wichtig, nicht über, sondern mit den Produzierenden zu sprechen. In der Ausstellung wie auch in unserer Podcast-Reihe „Chocolate Stories“ kommen Kakaobäuerinnen und -bauern selbst zu Wort und berichten über ihre Lebensrealitäten, Herausforderungen und Wünsche.

Podcast-Link: Chocolate Stories

4. Unsere Sonderausstellungen zu kritischen Themen

Wir haben in den letzten Jahren mehrfach mit Partnern aus Wissenschaft, Entwicklungspolitik und Zivilgesellschaft Sonderausstellungen realisiert, u. a.:

  • 2017: „Konsum – Verantwortung – Zukunft“ (mit OroVerde)
  • 2019: „Bittere Bohne – süßes Vergnügen“ (mit GIZ)
  • 2020: „Bitter Chocolate Stories“ (mit Tony’s Chocolonely)

5. Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)

Unsere Bildungsarbeit wurde von der Natur- und Umweltschutzakademie NRW zertifiziert und von der UNESCO mehrfach ausgezeichnet. Wir sind das erste Museum in NRW mit dieser Anerkennung im Bereich BNE.

Unsere Kritik an der Darstellung im Podcast richtet sich nicht gegen die generelle Auseinandersetzung mit schwierigen Themen – im Gegenteil: Wir stehen thematisch klar auf Seiten der Podcast-Autoren und sehen unser Museum als aktiven Teil jener Aufklärungsarbeit, die sie fordern. Deshalb haben wir die David Richard Precht und Markus Lanz eingeladen, sich selbst ein aktuelles Bild zu machen – entweder bei einem Besuch im Museum oder als Gäste unserer Internationalen Kakao-Tagung, die seit Jahren Themen wie living income, nachhaltige Lieferketten, Klimawandel und gerechten Handel in den Mittelpunkt stellt.

Mit besten Grüßen

Annette Imhoff, Dr. Christian Unterberg-Imhoff und Dominik Schröder

Podcast Lanz und Precht: Transkription

Lanz: 
Jeder kennt in Köln das Schokoladenmuseum.

Da duftet es nach Kakao und Kindheit.
Und da geht man gerne hin mit seinen Kindern, Schulklassen. 
Alle gehen in diesen Bau am Rhein, in dieses Schokoladenmuseum. 
Und da riecht es so verführerisch und wunderschön. 

Aber woher der Rohstoff kam, diese wirklich bittere, blutige Geschichte? 

Precht:
Was die Firma Stollwerk gemacht hat. 

Lanz:
Genau. Ja, zum Beispiel.

Precht
 Also dann riecht der süße Duft von Kakao nicht mehr allzu süß, wenn man sich überlegt, unter welchen Bedingungen. 

Lanz:
Reden wir nicht groß drüber?

Precht:
Nö, wird da nicht so riesig dokumentiert. Gibt es jetzt keinen großen Ausstellungsraum im Schokoladenmuseum zu, sondern Kolonialverbrechen. Und das Interessante ist ja, sie halten letztlich bis heute an. Nicht der Deutschen jetzt in diesem Fall im Sinne von, dass der deutsche Staat oder so sich da versündigt hat, aber ich meine, unter welchen Bedingungen wird denn in Ghana heute Kakao geerntet? 

Lanz:
Jaja. Also, dass Kinder viel zu schwere Lasten tragen, dass sie quasi wie Halbsklaven gehalten werden, dass die Familien da Kinder weggeben in ihrer Not, die dann da ausgebeutet werden. Wenn man sich das anschaut, innerhalb des Absoluten an Sklaverei, es gibt unheimlich viele Kinder, die massive körperliche Schäden erleiden wegen dieser schweren “schweren Gewichte, die sie da stemmen müssen. Also, das ist alles gruselig und es ist nicht Geschichte. Das gibt es immer noch.

Precht:
Du sagst Ghana, ich könnte sagen Elfenbeinküste, man könnte, also die Liste ist lang. Jugendliche, die bis heute ohne Schutzausrüstung Pestizide aufbringen oder versprühen müssen, diese schweren Säcke schleppen und so weiter. Ja, und ich sag mal, auch wenn du sagst, eine Firma wie Stollwerck, die ja, ich glaube, in den 90ern haben die dieses Schokoladenmuseum dort errichtet. Die haben 1897 die Beteiligung an Plantagen in Kamerun erworben, damals eine deutsche Kolonie. Und in der Kaiserzeit hat man mit Slogans geworben, deutsche Kolonialschokolade hergestellt unter ausschließlicher Verwendung von Kakaobohnen deutscher Kolonien. 

Precht:
Aus deutschen Kolonien, als wäre das ein Gütesiegel. 

Lanz:
So und keiner hat aber erfahren, dass in Kamerun zu der Zeit einheimische und insbesondere Kinder bis zur totalen Erschöpfung geschuftet haben und wenn sie sich gewehrt haben wurden sie erschossen und die Dörfer in Brand gesteckt und so weiter. Das ist sozusagen Teil dieser Geschichte. Und deswegen hast du recht, auch schon die letzten Bundesregierungen, auch die große Koalition unter Merkel, die Ampel unter Scholz und so weiter, die haben alle in ihren Koalitionsverträgen. Deswegen kommt dann dieser Sound auch so bekannt vor, der jetzt auch wieder angeschlagen wird. Wir kümmern uns um dieses Thema. Wir nehmen uns das Thema mal an. Aber bis heute ist im Grunde ganz wenig passiert. Es sind ja schon viele dran verzweifelt.

Precht:
 Also man muss mal überlegen, es gab ja auch wirklich deutsche Politiker, die sich wirklich für Afrika eingesetzt haben. Ohne Doppelmoral, sondern wirklich aus tiefer Überzeugung versucht haben, vieles gut zu machen. Und zwar nicht nur in unserem eigenen Interesse, was jetzt immer größere Rolle spielt, geostrategisches Interesse. Wenn Merz von der Bewahrung von Frieden und Sicherheit spricht, dann meint er ja wohl nicht Frieden und Sicherheit in Afrika, sondern er meint die deutschen Frieden und Sicherheit. Und dass man deswegen in Afrika aktiv werden müsste. Das muss man klar dazu sagen. Und ich meine, Horst Köhler hat sich wirklich sehr für Afrika eingesetzt, das Gleiche gilt für Gerd Müller als Entwicklungshilfeminister. Und letztlich sind die nie richtig ernst genommen worden. Wenn man mal vergleicht, was alles wichtigere Themen waren, dann ist Afrika immer das, was am Ende übrig geblieben ist. 

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