Feierliche Eröffnung Zeitreise des Kakaos
Eröffnungsrede von Anette Imhoff, Geschäftsführerin der Schokoladenmuseum Köln GmbH,
anlässlich der Neueröffnung der Ausstellung „Zeitreise des Kakaos“ und „Schokolade ist ein Gefühl“
am 24. Juni 2025 in Köln
Es gilt das gesprochene Wort.
„Ich bin der einzige Mensch, der ein Herz aus Schokolade hat“.
Dieses Zitat von meinem Vater, Hans Imhoff, prangt in großen Lettern in unserem Foyer.
Meinem Vater haben wir dieses Museum zu verdanken.
und er hatte oft Recht.
Aber hier irrte er sich.
Allein 2024 kamen mehr als 700.000 Besucherinnen und Besucher zu uns ins Schokoladenmuseum.
Mehr als je zuvor.
Und sie alle haben: ein Herz aus Schokolade!
Genau wie Sie!
Wir freuen uns, dass Sie alle bei uns sind.
Und mit uns heute nicht nur das ein oder andere Stück Schokolade teilen.
Sondern vor allem: ein Gefühl.
Denn darum geht es in unserer neuen Ausstellung:
Um das „Gefühl Schokolade“.
Um das, was sie uns bedeutet;
Und um die Faszination, die sie ausübt;
Vor tausenden von Jahren genauso wie heute!
Herzlich willkommen also im Schokoladenmuseum,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Wüst,
sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Reker,
Sehr geehrte Mitglieder der internationalen Gemeinschaft, stellvertretend begrüße ich Seine Exzellenz, Herrn Botschafter Dr. Diego Morejón-Pazmiño, Botschafter der Republik Ecuador
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde des Schokoladenmuseums!
Wenn Sie gleich ihren Rundgang durch unsere neue Ausstellung starten, dann kommen Sie unter anderem an einem Drehspiel vorbei.
Dabei geht es um den „Kolumbus Effekt“.
Bestimmt ist das nicht unser spektakulärstes Exponat. Aber ich schätze es sehr.
Es zeigt uns nämlich, was ein Kolumbus-Effekt ist.
Man könnte auch sagen: Wie klein die Welt ist.
Wie sehr sie zusammengewachsen ist seit den Tagen von Christoph Kolumbus.
Denn mit der Entdeckung der sogenannten „Neuen Welt“ begann damals das, was bis heute entscheidend ist für unseren Wohlstand:
Weltweiter Handel.
Das Spiel demonstriert:
Die roten Tomaten aus europäischen Gewächshäusern – eigentlich stammen sie aus Amerika.
Rinder hingegen kamen erst mit den Europäern nach Argentinien.
Kaffee kommt heute meist aus Brasilien. Zuerst aber wuchs er in Ostafrika.
Und klar: Der Kakao kommt ursprünglich aus Mittel- und Südamerika –
auch, wenn die meisten Anbaugebiete heute in Westafrika liegen.
Und nirgendwo mehr Kakaobohnen verarbeitet werden als in Europa.
Der Kolumbus-Effekt ist also das genaue Gegenteil des Trump-Effekts.
Austausch und Handel statt Abschottung und Wirtschaftskrieg.
Und deshalb: Die Begegnung mit Neuem.
Mit neuen Erlebnissen und neuen Erfahrungen, die den eigenen Horizont erweitern.
Ja, sogar: die eigene Kultur verändern.
Nichts Geringeres nämlich ist die Historie des Kakaos: ein Stück globaler Kulturgeschichte.
Hier in Köln können Sie sie erleben.
Denn es geht bei dieser Kulturgeschichte nicht um - tote Zahlen.
Es geht immer wieder um echtes Leben.
Um gefühlte Veränderung.
Schon ganz am Anfang steht ein Gefühl.
1544. Da taucht am spanischen Hof bei Prinz Philipp II. der Mönch und Missionar Bartolomé de las Casas auf.
Aus Nicaragua zu einer Audienz angereist, überreicht er dem Monarchen ein Gefäß mit geschlagener Schokolade.
Eine Sensation. Vor allem: eine Geschmackssensation. Ein echtes Erlebnis.
Deshalb folgen der ersten Tasse bald viele weitere.
Einige davon zeigen wir in unserer Ausstellung:
Tassen wie sie in adligen Runden vor allem bei Damen beliebt waren.
Dann irgendwann gibt es die ersten öffentlichen Schokoladen-Salons in London.
Und in Meissen bei Dresden werden besondere Tassen entwickelt.
Nur für den Genuss von Trinkschokolade.
Auch große Hoffnungen waren mit dem Genuss von Schokolade verbunden
– zum Beispiel die Hoffnung auf gesteigerte Liebeskraft!
„Chocolate“, so heißt es in Zeidlers Universallexikon von 1733, „machet Lust zum Beyschlaff und wird dahero von einigen Venus-Brodt genennet.“
Und auch, wenn wir derlei Hoffnungen heute nicht mehr an die Schokolade knüpfen:
Mit guten Gefühlen bleibt ihr Genuss auch weiterhin verbunden.
Wohl auch deshalb gingen dieses Jahr zu Ostern weltweit 228 Millionen Schokoladen-Osterhasen über die Ladentheken.
In Deutschland essen wir jeder rund 10 kg Schokolade pro Jahr.
Allerdings - und auch davon handelt unsere neue Ausstellung –
sind Gegenwart und Geschichte des Kakaos nicht nur mit guten Gefühlen verbunden.
Es gibt auch die dunkeln Seiten.
Anbau und Handel bedeuteten von Anfang an auch Ausbeutung.
Ausbeutung von Natur. Und Mensch.
Insbesondere die Werbung hat diesen Teil der Wahrheit hinter dem Bild des „Exotischen“ verborgen.
Bis in unsere Tage.
Die meisten von Ihnen kennen sicherlich noch den sogenannten „Sarotti-Mohr“.
Noch in den 1970er und 80er Jahren schmückte er Schaufensterauslagen.
Manchmal mit beweglichem Kopf – wie ein Wackeldackel.
Aber immer mit stereotypen Merkmalen wie übergroßen Augen, roten Lippen und in dienstbarer Haltung mit Tablett.
In unserer Ausstellung sehen sie auch Abbildungen mit schwerer goldener Halskette –
woran man erkennt, worum es sich beim „Mohren“ eigentlich handelte:
um einen Sklaven;
um ein Opfer kolonialer Gewalt und rassistischer Ideologie.
Nahezu niemand hat sich Gedanken über die persönlichen Schicksale dieser Menschen gemacht;
über ihre individuelle Geschichte.
Auch deshalb lernen Sie hier bei uns Angelo Soliman kennen.
Stellvertretend für tausende von Sklaven, die auch in Europa gehalten wurden.
Wir nennen Eckdaten seiner Biografie:
dass er 1728 aus Westafrika verschleppt und 1730 auf einem Markt in Messina verkauft wurde;
dass man ihn dann schließlich weiter verschenkt und verkauft hat - als Kammerdiener!
Und dass er 1796 in Wien landete:
Als ausgestopftes Exponat wurde er im Naturalienkabinett des kaiserlich und königlichen Hofes ausgestellt. Hier konnte die Öffentlichkeit den „exotischen Wilden“ bestaunen.
Denn, meine Damen und Herren, auch das gehört zur Kulturgeschichte des Kakaos.
Ob es uns gefällt oder nicht.
Vor allem aber finden wir: Daran zu erinnern, gehört in die Zeit.
In unsere Zeit.
Im Land der Sklavenbefreiung und der Bill of Rights
ist es Regierungsangestellten neuerdings verboten,
in offiziellen Mitteilungen die Worte „black“, „racism“ oder „diversity“ zu nutzen;
selbst das Wort „Frau“ steht auf der Liste verbotener Begriffe;
Universitäten werden Mittel für Anti-Rassismus-Forschung gestrichen;
und radikale Kürzungen bei der internationalen Entwicklungshilfe treffen auch die Nachfahren von Angelo Soliman in Westafrika.
All das würde eher in längst vergangene Zeiten passen.
Als zum Beispiel der Staatsrechtler Montesquieu noch lapidar feststellte:
„Sklaverei muss ein. Sonst wird der Zucker zu teuer.“
Die Welt als Markt.
Der Deal als das Maß aller Dinge.
Wer daran glaubt, hat ganz sicher kein Herz aus Schokolade.
Eher schon aus Stein.
Aber die gute Nachricht lautet:
Damals war diese Sicht auf die Dinge „Common Sense“.
Heute ist es eine – wenn auch mächtige – Minderheit, die so denkt und handelt.
Gleichzeitig sieht man daran:
Ein Selbstläufer ist die Idee von Kultur und Menschenwürde nicht.
Sie muss sich immer wieder neu begründen.
In den Familien.
In den Schulen und Universitäten.
Am Arbeitsplatz.
Im Museum.
Geschult werden müssen dafür Vernunft und Verstand.
Aber auch: die Gefühle.
Zur humanistischen Bildung gehört beides.
Deshalb präsentieren wir die Kulturgeschichte des Kakaos als einen Erlebnisraum, in dem beides zusammenkommt.
Einerseits die vielen historischen Informationen und Exponate –
andererseits im Dachgeschoss die Inszenierung einer Karussellfahrt durch die Gefühlswelt Schokolade – mit Reminiszenzen an die Kindheitserinnerungen ganzer Generationen.
So wollen wir Sie und natürlich viele tausend Besucherinnen und Besucher einladen zu einer „Zeitreise des Kakaos“, die Sie sowohl entführt in die Vergangenheit, als auch inspiriert für die Zukunft;
Zu einer Zeitreise -
mit „Kolumbus-Effekt“, die Raum schafft für neue Erkenntnisse und neue Erfahrungen.
Ich danke deshalb – von Herzen - Allen, die diese Ausstellung möglich gemacht haben, es wären viel zu viele sie alle einzeln zu nennen.
Und ich danke Ihnen, meine Damen und Herren, dass Sie heute Abend unserer Einladung gefolgt sind.
Es zeigt Ihre Verbundenheit mit diesem Haus und mit unserer Stadt.
Und gleichzeitig: die Verbundenheit mit dem Thema, das schon meinen Vater so sehr bewegte.
Er, der Initiator dieses Museums, hätte unsere Zeitreise gemocht.
Eben weil sie nicht nur eine Chronologie erlebbar macht, sondern immer wieder auch das Herz berührt – vorausgesetzt, es ist: ein „Herz aus Schokolade“.
Vielen Dank!